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Ja, es gibt sie noch: vergessene Örtchen in Aachen. Früher gehörten sie ins Stadtbild. Zentral gelegen auf Plätzen, an Parkanlagen oder dezent ins Stadtbild eingebunden. Meistens hatten sie einen zweifelhaften Ruf und unberechtigter Weise wurde ihnen mit gewissem Ekel und Abneigung begegnet. Wenn der Kackstift drückte oder die Blase längst ihr Limit überschritten hatte, waren sie der absolute Retter in der Not. In manchen Örtchen fand man sogar Personal, das für die Ordnung und Sauberkeit zuständig waren. Die Örtchen erhielten damals von den Aachenern die unterschiedlichsten Namen: Urinal, Pissoir, Kackstation oder Bedürfnisanstalt. Heute sind sie aus dem Stadtbild fast verschwunden. Nur wenige Hinweise finden sich noch. Mein Lieblingspissoir wartete am Burtscheider Viadukt zur Dammstraße hin, auf der rechten Seite zur Jägerstrasse auf mich. Auf dem Heimweg von der Schule in der Lothringerstrasse machte ich dort gerne Station und entleerte mich. Schon der penetrante Geruch von Klowürfel und Urin, der beim Betreten des Pissoirs in meine Nasenlöcher strömte, besaß einen sehr hohen Widererkennungswert. In diesem Pissoir , das nur richtigen Männern Asyl bot und Frauen regelrecht ausschloss, befand sich ein gefliestes Urinbecken. Entleerte man sich synchron so konnte man sich, je nach dem wo man am Becken stand, von der Flüssigkeit des Anderen durch einarmigen Salut mit verabschieden, wen alles langsam aber geregelt an einem vorbei floss. Heute ist die Urinalstation verschlossen und ich denke beim Anblick an glückliche gemeinsame Jahre.
Heute steht in unmittelbarer Nähe zu den alten Sanitäranlagen ein kostenpflichtiger, hochmoderner, silberner Einmannbedürfniserlebnisraum. Alles clean und alles steril. Da kann die Entsorgung eigentlich keinen Spass machen. Allein mit der ganzen Technik und die Angst im Nacken, dass jederzeit die Tür automatisch aufgeht, bevor man richtig fertig ist.
>Sehr geehrter Herr Joker, wirklich ein wunderschöner Beitrag, er wirkt auf mich geradezu erleichternd! Mit großer Freude lass ich Ihre Erwähnung des ehemaligen Pissoirs in der Lothringerstraße. Allerdings sind meine Erinnerungen daran nicht so filigran, frankophil wie Ihre, sondern eher von stämmiger, Rondell-Mauerkunst geprägt. Werde versuchen Ihnen ein Photo zur Verfügung zustellen. Sie dürfen gespannt sein!
Kommentar von Anonymous — 23. Dezember 2009 @ 12:50 pm